Wahrlich dreidimensional

Forschungsprojekt Beyond 3D Printing

Der 3D-Betondruck ist mittlerweile ein etabliertes Verfahren der additiven Fertigung. Einerseits sind mit dieser Technik enorme gestalterische Freiheiten gegeben, die im klassischen Betonbau undenkbar sind. Andererseits kann mit dem 3D-Druck viel Material eingespart werden. Denn: der Beton wird nur dort im Bauteil aufgebracht, wo er konstruktiv auch tatsächlich benötigt wird. Die Basis für eine Umsetzung bilden digitale 3D-Informationen, die an den Roboterarm oder 3D-Drucker gesendet werden.

Weit verbreitet ist das Extrusions-Druckverfahren, bei dem der Beton Schicht für Schicht durch eine Düse, den sogenannten Extruder aufgetragen wird. Fragt man Professor Dirk Lowke, Leiter des Fachgebiets Baustoffe am iBMB und beteiligt am Forschungsprojekt Beyond 3D Printing – A novel spatial printing technology for lightweight spaceframe concrete structures, sei das schichtweise Aufdrucken von Material faktisch nicht dreidimensional.

Wenn wir das 3D-Drucken genauer betrachten, fällt auf, dass wir eigentlich nicht in 3D drucken. Wir können immer nur auf eine bestehende Schicht draufdrucken. [...] Mit dem Verfahren, das wir im Projekt entwickeln, sind wir jedoch wirklich frei in der Positionierung des Materials. Wir können die Struktur in einer beliebigen Ausrichtung in den Raum hineindrucken. Das wäre dann das „echte“ 3D-Drucken, eine Materialisierung im Raum.

Neuartiges Druckverfahren
Das neue Injektionsdruckverfahren wurde von Forschenden des Instituts Tragwerksentwurf (ITE) und des Instituts für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (IBMB) der Technischen Universität Braunschweig entwickelt. Dabei werden Betonstränge robotergesteuert in ein Trägermedium – im Versuchsaufbau ein durchsichtiges Gel – injiziert. Das Gel soll langfristig jedoch durch ein mineralisches Stoffgemisch ersetzt werden, das günstiger, ökologisch unschädlich und recycelbar ist. Durch die Trägerflüssigkeit bleibt der eingedruckte Beton an der gewünschten Position und erhärtet dort. Dadurch können verschiedenste Strukturen umgesetzt werden – auch sehr komplexe Geometrien ohne die üblichen räumlichen Einschränkungen. Nach der Injektion wird das Trägermedium abgelassen und übrig bleibt die gedruckte, gitterähnliche Struktur aus Beton. Die Bewehrung soll direkt integriert werden, etwa indem ein unendlicher Metall- oder Faserstrang im Beton mitgeführt oder Stahlstrukturen eingedruckt werden – daran forschen die Beteiligten aktuell.

Filigrane, ressourceneffiziente Betonstrukturen
Ziel des neuen Verfahrens ist, eine aufgelöste Bauweise mit Beton zu erreichen, die man eher aus dem Holz- oder Stahlbau kennt und der massiven Bauweise im klassischen Betonbau gegenübersteht. Als Einsatzgebiete sehen die Forschenden vor allem Brücken- oder Dachtragwerke, die aus Fertigteilen zusammengesetzt werden können und verweisen auf alte Konstruktionsmethoden wie die Brückentragwerke des Schweizer Bauingenieurs Robert Maillart oder die filigranen Ferro-Cemento-Elemente des italienischen Bauingenieurs Pier Luigi Nervi, die aufgrund ihres Aufwands heutzutage nicht mehr hergestellt werden. Mit dem Injektionsdruckverfahren könnten diese Art von ressourceneffizienten Strukturen eine Renaissance erfahren, so die Beteiligten.

Text: Sulafa Isa